Barfen - Roh oder nicht roh, das ist die Frage

Das Barfen steht für eine spezielle Form der Rohfütterung besonders bei Hunden.

Was ist Barfen?

Hinter dem angelsächsischen Begriff "Barf" stand zunächst "Born-again-Raw-Feeders", was so viel bedeutet wie "wiedergeborene Rohfütterer". Die Kanadierin Debbie Tripp gilt als geistige Urheberin dieses Namens und als Patin der späteren Fütterungsbewegung, die sehr konsequent diese Rohfütterungsmethode propagiert. Kritiker sehen deren Sendungsbewusstsein in der Futter-Frage als ideologisch an, so dass sich gemäßigtere Anhänger der Rohfütterung später für die Interpretation "Bones and Raw Foods" (Knochen und Rohes Fressen) als Definition des Barfens entschieden.

Ernährungsphysiologisch geht das Konzept auf einen australischen Tierarzt zurück, der in den 1990er Jahren mit seinem Buch "Give Your Dog a Bone" (Gib Deinem Hund einen Knochen) Furore machte. Dr. Ian Billinghurst stellte in seinem Werk ausführlich und nachvollziehbar dar, wie sich die Ernährung der Hunde evolutionstechnisch entwickelte. Er hält die moderne industrielle Futtermittelproduktion für den Ausgangspunkt vieler degenerativer Erkrankungen des Hundes.

Seiner Auffassung nach hatten Hunde nicht genug Zeit, sich im evolutionären Sinne an die gerade 70 Jahre alte, stärkereiche Ernährung der Futtermittelhersteller zu gewöhnen, die bei der Herstellung von Fertigfutterwaren den überwiegenden Teil des Futters ausmacht. Folgerichtig spricht er in seinem Buch vom "biologically appropriate raw food", dem "biologisch angemessenen rohen Futter". Vor der industriellen Futterproduktion haben Hunde und auch ihre Halter zurückgehend bis zu den wölfischen Vorfahren des Haushundes eine andere Ernährungsform gepflegt.

Barfen ist heute nach rund 20 Jahren ein noch immer umstrittenes Ernährungskonzept. Begeisterten Anhängern bei Hundehaltern und Tierärzten stehen äußerst kritische Stimmen bei Veterinären sowie Wissenschaftlern gegenüber.

Was beinhaltet das Barf-Konzept?

Hundenapf mit Barf
Barf-Menüzusammenstellung © Fotolia - Lilli

Barfen postuliert grundsätzlich die Rohfütterung von Muskelfleisch verschiedener Futtertiere, Knochen und Innereien. Diese eiweißreiche Kost wird durch Gemüse und Obst sowie noch andere natürliche Zusätze ergänzt. Als Leitbild agiert der Wolf, der pflanzenfressende Futtertiere reißt und neben dem Fleisch auch dessen Mageninhalt - pflanzliche, an verdaute Nahrungsreste - und Fell frisst. In abgewandelten Formen wird auch Tiefkühlfleisch verfüttert, beziehungsweise aus Gründen der Convenience vollständig vorbereitete Barf-Portionen, die tiefgekühlt wurden.

Hundeernährung - ein kontroverses Thema

Betrachtet man die Ernährung der Hunde über die Zeiten, scheint auffällig zu sein, dass Hunde ernährungstechnisch sehr anpassungsfähig sind. Man kann davon ausgehen, dass Haushunde seit ihrem Anschluss an den Menschen vor allem auch von dessen gefüllten Tellern gefüttert wurden. Noch bis in das späte 20. Jahrhundert war es üblich, Hunde mit Essensresten vom Tisch zu versorgen. Der Hund kam so neben Fleisch auch in Kontakt mit stärkereichen Lebensmitteln wie Getreide und Kartoffeln. Dabei war seine Ernährung wie die seiner Menschen recht abwechslungsreich.

Mit dem Aufkommen der industriellen Tierfutterfertigung in den 1960er Jahren verschob sich teilweise das Gleichgewicht von variierenden Futterbestandteilen fleischlicher und pflanzlicher Bestandteile, zugunsten der stärkehaltigen Kohlenhydrate. Außerdem wurden dem Fertigfutter Mikronährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe gesondert zugesetzt. Die Befürworter des speziellen Hundefutters sehen gerade darin einen großen Vorteil, weil sie meinen, dass die Hunde so alles bekommen, was sie ernährungsphysiologisch benötigen. Kritiker sehen in der industriellen Futtermittelproduktion "die Wurzel allen Übels" und in der Folge typische Erkrankungen. Beide Seiten argumentieren mit artgerechter Ernährung. Hundehalter neigen dabei gern zu Extremen, manche ernähren ihre Hunde einfach vegan.

Artgerechte Ernährung des Hundes

Wären Hunde Katzen, wäre die Frage nach der artgerechten Ernährung sehr schnell beantwortet. Katzen sind Fleischfresser per se und benötigen daneben bestimmte Fette und andere Stoffe, die nur Fleisch enthält. Mäusemägen enthalten auch keine relevanten Mengen an pflanzlichen Nahrungsbestandteilen, an die sich die Katze hätte über eine evolultions-relevante Zeit gewöhnen können. Für die Ernährung komplexer Kohlenhydrate ist ihr Verdauungssystem nicht vorgesehen.

Allenfalls frisst sie aus eigenem Antrieb Gras dazu, um etwa Gewölle auszubrechen. Bei Hunden ist die Antwort auf die Frage nach einer artgerechten Fütterung komplexer. Der Hund hat einen Verdauungsapparat, der sowohl Eiweiß als auch Kohlenhydrate verwertet. Dennoch ist der Hund von seinen Anlagen her mit Blick auf die wölfische Verwandtschaft zunächst ein Fleischfresser und Raubtier, und weniger ein Mischköstler und Allesfresser als der Mensch.

Allein die Tatsache, dass der Hund (auch) mit pflanzlicher Ernährung überlebt, macht diese Ernährungsform noch nicht zur artgerechten und vor allem nicht idealen Ernährung für ihn. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass Hunde heute fast Omnivoren sind, also Allesfresser, liegt der Schwerpunkt einer artgerechten Ernährung vor allem in einer abwechslungsreichen Ernährungsform. Auch darf das Argument des Allesfressers nicht dafür missbraucht werden, den Hund mit minderwertigem (Fertig-)futter zu ernähren.

Der Begriff des Fleischfressers wird oft dahingehend missverstanden, dass Hunde respektive Wölfe nur Fleisch fressen würden, und sie mit Fleisch artgerecht ernährt werden. Dabei wird übersehen, dass Wölfe das ganze Beutetier buchstäblich mit Haut- und Haar fressen, also neben dem Fleisch pflanzliche Bestandteile und vor allem auch Unverdauliches zu sich nehmen(1). Auch diese unverdaulichen Ballaststoffe sind essentiell für die Tiere.

Fertigfutter ist nicht gleich Fertigfutter

Wer über Fertigfutter spricht, verkennt oft, dass diese Futter unterschiedlichste Qualität aufweisen. Vom "maskierten Müll" (2) bis zu sinnvollen, hochwertigen Formulierungen ist auf diesem, auch vom Marketing her sehr umkämpften Markt, alles vertreten. Barfer richten sich zu Recht vor allem gegen das minderwertige, unnatürliche und schlechte Fertig-Futter mit Bestandteilen unklarer Herkunft, das mit Lockstoffen einen Geschmack vortäuscht, der nicht den eigentlichen Zutaten entspringt. Bei minderwertigen Futtern ist der Kostenaspekt für die Hersteller entscheidend, Getreide ist dabei eine billige Zutat, die deshalb oft den überwiegenden Anteil des Futters ausmacht.

Bei den qualitativ hochwertigen Futtersorten liegt wie bei allen Fertigfuttern die Gefahr vor allem darin, dass zu viel gefüttert wird, weil das Futter so reichhaltig ist. Viele Hundehalter meinen es da mit den Portionen sehr gut. Man bedenke immer, dass für die Wölfe der Jagderfolg auch nicht jeden Tag in gleichem Maße gegeben ist. Für Hundeernährung sollte das ebenfalls gelten, auch ein erfolgloser "Jagdtag" schadet dem gesunden Hund nicht.

Barfen im Pro und Contra

Kritiker des Barfens befürchten im Wesentlichen Mangelzustände und Parasiten bei der Rohfütterung. Auch Zahnschäden werden wegen der Knochenfütterung ins Feld geführt. Wer sich mit der Ernährung des Hundes vor Einführung einer Rohfütterung intensiv befasst - Barfen ist dabei zeitlich erheblich aufwendiger als das Füttern mit Fertigware - und auf die Herkunft des Fleisches achtet, kann ersteren Gefahren weitestgehend gut begegnen. Was die Zahnschäden angeht, sind diese nicht belegt, denn anderen Quellen halten das Benagen der Knochen eher für gesundheitsfördernd. Außerdem nutzen sich die Zähne von Raubtieren natürlicherweise ab.

In jedem Fall wird der Hund durch verständiges Barfen besser ernährt als mit minderwertigem Fertigfutter. Die Einschätzung der Fütterungsqualität beruht dabei überwiegend auf subjektiven Einschätzungen von Hundehaltern. Die Studienlage zu dieser Frage ist nicht übersichtlich, wobei viele wissenschaftliche Studien zur Hundeernährung von der Futtermittelindustrie in Auftrag gegeben werden und das Barfen negativ bewerten.

Barfen geht einen möglichen Weg in der Hundeernährung

Im Vergleich mit minderwertigem Fertigfutter kann Barfen also eine sehr gute Alternative in der Fütterung von Hunden sein. Voraussetzungen sind, dass der Hundehalter sich vorher genau informiert, welche Nahrungsbestandteile, vor allem auch Mikronährstoffe sowie Fette der Hund in welchen Mengen benötigt. Außerdem sollte hochwertiges Rohfleisch bekannter Herkunft verfüttert werden. Keinesfalls darf auf pflanzliche Fasern verzichtet werden.

Viele Barfer berichten von kerngesunden Hunden mit glänzendem Fell, die weit weniger zu Allergien und degenerativen Erkrankungen neigen als anders ernährte Hunde. Vor allem sind Barfer-Hunde seltener übergewichtig. Rohes Fleisch, ab und an Knochen sowie Spezialitäten á la Pansen sind außerdem für die meisten Hunde aufgrund von Geschmack und Textur ein gutes Stück Lebensfreude.

Auch die individuelle Konstitution des Hundes spielt eine Rolle. Manche Hunde vertragen die Rohfütterung nicht, beziehungsweise lehnen diese in seltenen Fällen ab. Füttern ist keine Ideologie, sondern geht auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Hundes ein. Es kann also durchaus sein, dass ein Hund mit einer abwechslungsreichen Kost, die vorwiegend aus gekochten Bestandteilen besteht, im Einzelfall besser zurechtkommt. Auch hochwertiges Fertigfutter kann - zum Beispiel bei bestimmten Stoffwechselerkrankungen oder bei extrem guter Akzeptanz durch den Hund - die individuell bessere Wahl sein. Bei Fertigfutter besteht der Vorteil, dass die Gefahr einer parasitären Belastung gering ist und die Menge der Nährstoffe, die zugeführt werden, standardisiert feststeht.

Manchem Hundehalter wird es schließlich aus organisatorischen Gründen nicht möglich sein, roh zu füttern. Hier gilt dann, dass vollwertige und abwechslungsreiche Nahrungsbestandteile auch in hochwertiger Fertigfütterung entscheidend sein sollten bei der Auswahl des Futters.

Zitat:

(1) Vgl. zum Beispiel, Meyer, Helmut, Zentek, Jürgen, Ernährung des Hundes: Grundlagen - Fütterung - Diätetik, Verlag Georg Thieme Verlag, 2013 in der Einführung.
(2) Vgl. http://www.spiegel.de/spiegel/a-708762.html, Artikel von Nils Klawitter, 26.7.2010.

Weitere Literatur

Weinreich, Stefanie, Futterzeit. Bis(s) zum Hasentod: Ratgeber zur sinnvollen und artgerechten Ernährung des Hundes. Ein Buch über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und erschreckende Hintergrundinformationen zum Thema Hundeernährung, Verlag BoD - Books on Demand, 2013
(Hier erhältlich)

Balke, Sabine und Koch, Bernd, Hunde würden Frischfleisch kaufen: Artgerechte Ernährung für jeden Geschmack und Geldbeutel, Verlag BoD - Books on Demand, 2013
(Hier erhältlich)

Autorinbild
Autor: Thomas

Etwa 8 Mio. Hunde leben in deutschen Haushalten - gesorgt wird sich um die Vierbeiner wie um das eigene Kind. Mit dieser Seite möchte ich euch gern leicht verständliche Informationen rund um die Hundegesundheit zur Verfügung stellen. Zur Seite steht mir eine Tierheilpraktikerin, die das ganze fachlich abrundet.