Der Zweithund - Hunde aneinander gewöhnen

Viele Hunden lieben es, mit Artgenossen zu toben und im alltäglichen Zusammenleben ihre hundetypischen Verhaltensweisen auszuleben. Dennoch kann vierbeiniger Familienzuwachs einige Probleme mit sich bringen - die Anschaffung eines Zweithundes sollte daher gut überdacht und geplant werden.

Die Entscheidung zum Zweithund

Ob das vorhandene "Rudel" durch einen weiteren Hund vergrößert werden kann, hängt vor allem vom Charakter des Ersthundes ab. Ein Vierbeiner, der bei Spaziergängen oder auf der Hundewiese Artgenossen abweisend oder gar aggressiv entgegentritt, wird in aller Regel nicht erfreut sein, das Zuhause mit einem Konkurrenten teilen zu müssen. Auch bei einem anderen Hunden gegenüber aufgeschlossenen Tier endet die Freundschaft manchmal an der Türschwelle. In diesen Fällen kann die Gewöhnung an einen Zweithund schwierig, in manchen Fällen sogar unmöglich sein. Geht der Ersthund dagegen in allen Lebenslagen freundlich mit Artgenossen um, steht der Anschaffung eines Zweithundes nichts im Wege. Zuvor sollte der eigene Vierbeiner bereits eine solide Grunderziehung genossen haben und mit den "Benimm-Regeln" des täglichen Lebens vertraut sein - Hunde übernehmen viele Verhaltensweisen voneinander, vor allem aber die schlechten Angewohnheiten.

Welche Hunde passen zueinander?

Für die ideale Paar-Konstellation spielen Rasse und Alter der Hunde nur eine untergeordnete Rolle. Der aufmerksame Besitzer beobachtet seinen Hund bereits im Vorfeld beim Kontakt mit Artgenossen: Bevorzugt er Rüden oder Hündinnen? Mag er lieber kleine Hunde oder zieht er große vor? Lässt er sich gerne von quirligen Vierbeiner zum Spiel animieren oder fühlt er sich in der Gegenwart von ruhigen Hunden sicherer? Hat er eine Vorliebe für bestimmte Rassen? Oft ergibt sich daraus bereits ein gutes Bild des Wunschpartners. Lässt der Hund keine speziellen Neigungen erkennen, kann der Besitzer auf einige bewährte Grundregeln zurückgreifen:

1) Rüde und Hündin harmonieren meist besser als gleichgeschlechtliche Pärchen (Ausnahmen bestätigen die Regel!). Ist kein Nachwuchs erwünscht, muss bei dieser Konstellation einer der Partner kastriert werden.

2) Zwei sehr lebhafte Hunde schaukeln sich in ihrem Übermut gegenseitig hoch und können leicht außer Kontrolle geraten. Ein ruhigerer Vierbeiner, der Spielen und Toben dennoch nicht abgeneigt ist, kann auf das überschießende Temperament eines quirligen Partnertieres ausgleichend wirken.

3) Ein aktiver Zweithund animiert einen behäbigen Partner zu mehr Bewegung. Viele ältere Hunde erleben im Zusammenleben mit einem verspielten Junghund einen zweiten Frühling - dabei muss der Besitzer aber stets darauf achten, dass der Senior vom "Jungspund" nicht überfordert wird.

Welpe oder älterer Hund?

Ein Zweithund muss nicht zwingend als Welpe ins Haus kommen, gut sozialisierte Hunde können auch im höheren Lebensalter aneinander gewöhnt werden. Vom Ersthund wird ein Welpe nicht notwendigerweise freundlicher aufgenommen als ein ausgewachsener Artgenosse - auf den "Welpenschutz" sollte sich der Besitzer nicht verlassen! Zudem benötigt ein Welpe mehr Zeit und Aufmerksamkeit als ein erwachsenes Tier, das bereits stubenrein ist und im Idealfall schon einige Grundkommandos kennt. Viele gut verträgliche Hunde warten in Tierheimen auf eine zweite Chance, bei gegenseitiger Sympathie verläuft die Eingliederung ins "Rudel" in vielen Fällen schnell und ohne größere Komplikationen.

Der erste Kontakt

Das erste Kennenlernen der zukünftigen Lebenspartner sollte auf neutralem Terrain erfolgen. Dafür bieten sich gemeinsame Spaziergänge an, bei denen die Hunde anfangs an der Leine geführt werden. Geht das erste Beschnuppern friedlich vonstatten, dürfen sie auf einem umzäunten Grundstück zusammen toben - wenn sie ausgelassen miteinander spielen, ist der erste kleine Schritt zur funktionierenden "Hunde-WG" bereits getan. Nicht immer läuft der erste Kontakt so reibungslos ab: Vom gegenseitigen Ignorieren bis zu aggressiven Attacken ist alles möglich. Manchmal müssen die gemeinsamen Spaziergänge mehrmals wiederholt werden, bis der Funke überspringt. Ist auch nach mehreren Versuchen jede Begegnung mit Knurren oder gar Raufereien verbunden, möchten die Tiere offensichtlich keine Lebensgemeinschaft miteinander eingehen - auch das muss der Besitzer akzeptieren. In manchen Fällen stimmt schlicht die Chemie zwischen den Hunden nicht, ein Versuch mit einem anderen potentiellen Partnertier kann dagegen in kurzer Zeit zum Erfolg führen.

Der Einzug ins neue Heim

Den Weg ins neue Zuhause sollte das zukünftige Familienmitglied nach Möglichkeit in Gesellschaft des Ersthundes antreten. Ein gemeinsamer Spaziergang schafft eine entspannte Atmosphäre, bevor die Hunde zusammen das Haus betreten. Voneinander getrennte Futter- und Schlafplätze werden den Tieren vom Besitzer zugewiesen - er sorgt auch dafür, dass die von ihm getroffene Regelung eingehalten wird und keiner der Vierbeiner sich am Eigentum des anderen vergreift. Besonders beliebte Liegeplätze wie Sofa oder Bett stehen in der ersten Zeit besser für beide auf der Verbotsliste, bis die Rangordnung zwischen den Hunden geklärt ist. Zuwendung und Streicheleinheiten sollte der Hundehalter gerecht auf beide Vierbeiner verteilen: Fühlt sich der Ersthund durch den Neuzugang zurückgesetzt, treten nicht selten Eifersüchteleien auf.

Gemeinsame Unternehmungen stärken die Bindung

In den ersten ein bis zwei Wochen sollte der Besitzer die Hunde möglichst wenig alleine lassen und gut beobachten. Kleinere Streitigkeiten können die Vierbeiner unter sich klären, aggressives Verhalten muss der Hundehalter aber konsequent unterbinden. Gut ausgelastete Hunde neigen weniger dazu, ihre überschüssige Energie in den eigenen vier Wänden abzureagieren: Lange Spaziergänge, Spielstunden und Ausflüge an für Hundenasen interessante Orte sollten daher so oft wie möglich auf dem Programm stehen. Auch wenn der Ersthund bereits gut erzogen ist, kann nach der Eingewöhnungszeit der gemeinsame Besuch einer Hundeschule die Bindung der Tiere untereinander und zum Besitzer stärken. Haben die Hunde sehr unterschiedliche Interessen, sollte der Hundehalter aber auch genug Zeit aufbringen können, beide getrennt voneinander ihren Anlagen entsprechend zu fördern.

Klärung der Rangordnung

Ein Neuzugang im Rudel kann die geltende Rangordnung ins Wanken bringen. Die Rolle des Menschen als Rudelführer darf vom ersten Tag an nicht in Frage stehen - dazu trägt auch die ihm obliegende Verteilung von Futter und Schlafplätzen bei. Sind die Hunde gut sozialisiert und grundsätzlich miteinander verträglich, werden sie ihre Rangordnung durch spielerische Auseinandersetzungen festlegen: Dabei kann es durchaus vorkommen, dass der Zweithund nach einiger Zeit die Führungsrolle übernimmt. Für viele Hundebesitzer ist es schwer mitanzusehen, wenn der geliebte Vierbeiner vom Neuzugang "entthront" wird - hier vermittelnd einzugreifen und das rangniedrigere Tier aus Mitleid zu bevorzugen, ist jedoch kontraproduktiv. Eine klare Rangordnung vermittelt dem Hund Sicherheit: Dabei ist es gleichgültig, welchen Platz er darin einnimmt. Durch die Einmischung des Menschen muss der Kampf um die Rangfolge immer wieder neu ausgetragen werden, was für die Hunde mit großem Stress verbunden ist.

Wenn der Haussegen schief hängt

Auch wenn zwei Hunde sich auf neutralem Boden gut verstehen, kann es in den ersten Wochen zu Hause immer wieder zu Auseinandersetzungen kommen. Viele Hunde sind anfangs durch einen Neuzugang verunsichert und versuchen auf jede Weise, den lästigen Mitbewohner zu vertreiben. Besteht die Gefahr, dass ein Tier bei einer Auseinandersetzung ernsthaft verletzt wird, muss der Besitzer eingreifen und als Rudelführer Grenzen setzen. Gleiches gilt, wenn ein Hundesenior sich der ungestümen Annäherung eines Junghundes nicht erwehren kann. Hier ist das Fingerspitzengefühl des Besitzers gefragt, um das richtige Maß zwischen Kontrolle und Gewährenlassen zu finden. Kommen die beiden Kontrahenten auch nach einer längeren Eingewöhnungsphase nicht miteinander aus, sollte man einen erfahrenen Hundetrainer zu Rate ziehen. Mit Hilfe eines individuell abgestimmten Trainingsplanes ist es oft möglich, die häusliche Harmonie zu retten - in manchen Fällen kann aber die Abgabe eines der Tiere für alle Beteiligten die bessere Lösung sein.

Literaturhinweise / Quellen

Haltung mehrerer Hunde: Martin Rütters Hundeschule
(Andrea Buisman/Martin Rütter, Kosmos Verlag, 2014)

Darf´s einer mehr sein? Entspanntes Zusammenleben mit zwei oder mehr Hunden
(Rolf C. und Madeleine Franck, Cadmos Verlag, 2013)

Einer geht noch ...: Tipps zur Mehrhundehaltung (Die Hundeschule)
Petra Krivy/Angelika Lanzerath, Verlag Müller Rüschlikon, 2012)

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Autorin Regine Schineis

"Ein Leben ohne Tiere ist möglich, aber sinnlos." So lautet das Lebensmotto der Tierpsychologin und Autorin Regine Schineis, die gemeinsam mit Mann und Tieren in der Steiermark zu Hause ist.