Trennungsangst beim Hund

Im Alltag ist es immer wieder nötig, den Hund für einige Stunden alleine zu lassen. Die meisten Vierbeiner haben damit keine Probleme und verschlafen die Zeit ohne ihren Besitzer - ein unter Trennungsangst leidender Hund kann seinem seelischen Notstand auf verschiedene Weise Ausdruck verleihen.

Ursachen der Trennungsangst

Trennungsangst kann sich aus mehreren Gründen entwickeln. Hunde sind Rudeltiere, die sich in freier Wildbahn als Einzelgänger nur schwer durchsetzen könnten. Insbesondere für Welpen wäre der Verlust des Rudels fatal, weshalb sie stets den engen Kontakt zur Mutter und anderen Gruppenmitgliedern suchen. Manche Hunde behalten dieses Verhalten auch im Erwachsenenalter bei und schließen sich sehr eng an den Menschen an - setzt der Besitzer dem Hund keine Grenzen, sind Probleme vorprogrammiert.

Trennungsangst kann aber auch entstehen, wenn der Hund sich als Rudelführer sieht: Als pflichtbewusster Anführer muss er sein Rudel immer und überall unter Kontrolle haben. Gelingt ihm das nicht, gerät er in Erregung und reagiert diese am Mobiliar ab - in diesem Fall ist meist mehr Ärger als Angst im Spiel.

Besonders häufig tritt Trennungsangst bei Hunden auf, die schon mehrere Besitzerwechsel erleben mussten. Auch ein Vierbeiner, der nach einer längeren Phase des ständigen Zusammenseins mit seinem Menschen wieder alleine bleiben muss, kann Symptome von Trennungsangst zeigen.

Wie äußert sich die Angst vor dem Alleinsein?

Trennungsangst beim Hund(1)Ein unter Trennungsangst leidender Hund wird bereits unruhig, bevor sein Besitzer das Haus verlassen hat. Fällt die Tür hinter ihm ins Schloss, beginnt er zu bellen und jaulen. Er läuft unruhig umher und speichelt stark, auch Koten oder Urinieren in die Wohnung können vorkommen. Manche Hunden zerkratzen Türen, um ihrem Rudel zu folgen oder versuchen anderweitig aus der Wohnung zu entkommen. Durch das Benagen von Schuhen, Möbeln oder anderen Gegenständen versucht der Hund, seine Erregung loszuwerden. Ursache einer Zerstörungswut muss aber nicht immer Trennungsangst sein: Schläft der Vierbeiner in Abwesenheit des Besitzers vor dem Zerlegen von Gegenständen einige Stunden lang friedlich, liegt meist nicht Angst, sondern schlicht Langeweile zugrunde.

Trennungsängste können sich auch in Anwesenheit des Hundehalters bemerkbar machen: Der Hund trottet seinem Besitzer dann ständig hinterher und wird unruhig, sobald dieser hinter einer geschlossenen Türe verschwindet.

Vermeiden von Trennungsangst

Ein Hund, der schon als Welpe immer wieder kurzzeitig alleine gelassen wird, empfindet die Trennung vom Besitzer selten als beängstigend. Bei der Gewöhnung des Welpen an das Alleinsein muss man behutsam vorgehen und darf keinesfalls übertreiben: In der Natur wäre ein Welpe ohne den Schutz des Rudel verloren - es ist daher nur natürlich, wenn er durch Jaulen und Winseln auf seine missliche Lage aufmerksam macht. Anfangs bleibt der kleine Hund deshalb nur für Minuten alleine: Zuerst in einem Zimmer, später verlässt der Besitzer für kurze Zeit die Wohnung.

Verhält sich der Hund in dieser Phase ruhig und wirkt nach der Rückkehr des Besitzers nicht gestresst, wird die Zeitspanne nach und nach ausgedehnt. Erst wenn der Vierbeiner die gelegentliche Abwesenheit seines Rudels als völlig normal empfindet, darf er auch stundenweise alleine gelassen werden. Geduld macht sich hier bezahlt: Ein zu schnelles Vorgehen verunsichert den kleinen Hund und beschwört erst recht Trennungsangst herauf.

Training bei Trennungsangst

Hat ein älterer Hund nie gelernt, alleine zu bleiben, muss er langsam daran herangeführt werden - die Vorgehensweise ist dabei gleich wie beim Welpen. Da die Trennungsangst schon länger besteht, stellt sich der Erfolg oft erst nach einiger Zeit ein: Geduld und Konsequenz sind hier überaus wichtig.

Verfolgt der Hund den Besitzer im Haus auf Schritt und Tritt, sollten bestimmte Bereiche für ihn verboten werden: Dazu bieten sich Badezimmer, Schlafzimmer oder Kinderzimmer an. Zum Üben des Alleinseins in der Wohnung wird der Hund immer wieder für kurze Zeit bei geschlossener Tür in einem Zimmer zurückgelassen, während sich sein "Menschenrudel" im Rest des Hauses aufhält. Bellt oder winselt der Vierbeiner, wird er ignoriert: Erst wenn er sich ruhig verhält, öffnet sich die Türe. Der Erfolg hängt vom richtigen Timing ab: Darf der Hund wieder zu seinem Besitzer, während er bellt oder jault, wird er für seine Lautäußerungen mit der Rückkehr seines Besitzers belohnt - er wird dieses Verhalten daher immer wieder einsetzen, um sein Ziel zu erreichen.

Das Kommen und Gehen des "Menschenrudels" sollte stets ruhig verlaufen, lange Abschiedsreden und überschwängliche Begrüßungen verstärken nur die Erregung des Hundes.

Stabilisieren der Rangordnung

Leidet der Hund als vermeintlicher Rudelführer während der Abwesenheit seines Rudels unter dem Kontrollverlust, verhilft ihm die Klärung der Rangordnung aus seiner Misere: Sein Besitzer muss ihm durch selbstsicheres Verhalten, klare Regeln und Anweisungen und deren konsequente Einhaltung deutlich machen, dass er sehr wohl zum Führen des Rudels geeignet ist. Aufmerksamkeit forderndes Verhalten des Hundes wird ignoriert, beim Spiel und bei Spaziergängen führt der Besitzer, der Hund folgt.

Im Haus sollten dem zur Dominanz neigenden Vierbeiner Schlaf- und Liegeplätze vom Menschen zugewiesen werden: Liegt er auf einem "verbotenen" Platz, wird er unverzüglich weggewiesen. Auch das ständige Verfolgen des Besitzers innerhalb der Wohnung kann ein Zeichen von Kontrollzwang sein und muss unterbunden werden.

Gegenmaßnahmen bei Zerstörungswut

Auch wenn für den Besitzer oft nicht klar ersichtlich ist, ob das Zerstören von Gegenständen aus Angst oder Langeweile geschieht, muss er zum Schutz der Wohnungseinrichtung und des Hundes Gegenmaßnahmen ergreifen.
Gefährdete Haushaltsgegenstände sollten während der Trainingsphase soweit möglich aus dem Umkreis des Hundes verbannt werden - dies gilt insbesondere bei Dingen, die der Hund verschlucken oder an denen er sich verletzen könnte. Als Alternative lenken Kauknochen oder Futterkugeln den gestressten Hund vom Trennungsschmerz ab.

Ein gut ausgelastetes Tier neigt eher dazu, während der Abwesenheit des Besitzers eine Ruhephase einzulegen: Regelmäßige Ausflüge in unbekannte Gegenden, Hundesport oder Fährtentraining fordern den Hund körperlich und geistig. Muss der Vierbeiner längere Zeit alleine bleiben, sollte im Vorfeld ein ausgiebiger Spaziergang auf dem Programm stehen.
Wie überall in der Hundeerziehung ist auch bei der Zerstörungswut eine nachträgliche Bestrafung nicht zielführend: Der Hund würde den Tadel auf die Rückkehr des Besitzers beziehen und dadurch noch mehr in Stress geraten.

Wenn Training alleine nicht hilft - Behandlung

Bei manchen Hunden sitzt die Trennungsangst so tief, dass zusätzlich zu den Trainingsmaßnahmen eine medikamentöse Behandlung notwendig ist. Homöopathische Mittel oder Bachblüten unterstützen eine Verhaltenstherapie, in manchen Fällen kann auch der Einsatz von Psychopharmaka angezeigt sein. Die jeweiligen Mittel müssen gezielt auf die Symptomatik abgestimmt werden und sollten deshalb nur in Absprache mit dem Tierarzt zur Anwendung kommen.

Einige unter Trennungsangst leidende Hunde fühlen sich mit einem Artgenossen an ihrer Seite wesentlich sicherer - die Anschaffung eines ausgeglichenen Zweithundes kann in diesem Fall wesentlich zur Lösung des Problems beitragen.

Empfohlene Literatur / Quellen:

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Autorin Regine Schineis

"Ein Leben ohne Tiere ist möglich, aber sinnlos." So lautet das Lebensmotto der Tierpsychologin und Autorin Regine Schineis, die gemeinsam mit Mann und Tieren in der Steiermark zu Hause ist.