Dem Hund das Streunen abgewöhnen

Eigenmächtige Ausflüge eines Hundes stellen für diesen eine Bereicherung seines Alltags dar, sind aber mit großen Gefahren verbunden. Auch dem Besitzer drohen Unannehmlichkeiten, wenn er seinen Vierbeiner nicht unter Kontrolle halten kann.

Warum streunt ein Hund?

Häufig ist das Streunen sexuell motiviert: Für einen unkastrierten Rüden ist der Duft einer läufigen Hündin oft zu verlockend, auch eine paarungsbereite Hundedame vergisst auf der Suche nach einem Partner leicht ihre gute Erziehung. Viele Hunde streunen aus Langeweile - aufregende Erlebnisse während ihres Ausflugs wie das Jagen eines Hasen oder das Spielen mit Artgenossen belohnen sie für ihren Ausbruch.

Manche Vierbeiner stoßen auf ihren Streifzügen auf ergiebige Futterquellen wie reich bestückte Mülltonnen oder Katzenfutterstellen, die sie immer wieder aufsuchen. Je mehr positive Erfahrungen ein Hund auf diese Weise sammelt, desto schwerer wird es, ihm das Streunen wieder abzugewöhnen. Eine mangelnde Bindung zum Besitzer und fehlende Zuwendung können einen Hund ebenfalls zum Vagabundieren verleiten - manche Vierbeiner verfügen sogar über einen "Zweitwohnsitz", an dem sie mit Streicheleinheiten und Leckerchen verwöhnt werden.

Verabschiedet sich ein Hund regelmäßig während eines Spaziergangs vom Hundehalter, besitzt er entweder einen überdurchschnittlich ausgeprägten Jagdinstinkt oder es fehlt ihm schlicht an Erziehung.

Streunen ist gefährlich

Ein streunender Hund stellt eine große Bedrohung für Haus- und Wildtiere dar. Selbst wenn er ein potentielles Beutetier nicht reißt, kann er es leicht zu Tode hetzen. Dem Besitzer drohen dafür empfindliche Strafen - gleichgültig, ob es sich dabei um ein Rehkitz oder die Hühner in Nachbars Garten handelt. Ein wildernder Hund in einem Jagdgebiet läuft Gefahr, von einem Jäger erschossen zu werden: Schätzungen zufolge lassen auf diese Weise in Deutschland jährlich etwa 40.000 Hunde ihr Leben. Wie viele Hunde im Straßenverkehr getötet werden, ist statistisch nicht erfasst - löst ein streunender Hund einen Unfall aus, stehen nicht selten auch Menschenleben auf dem Spiel. Selbst wenn ein Hund ohne Begleitung sich in friedlicher Absicht einem Menschen nähert, kann ihn dieser als Bedrohung empfinden oder sich von ihm belästigt fühlen.

Reißt ein Hund immer wieder aus, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er entweder selbst zu Schaden kommt oder der Besitzer zur Rechenschaft gezogen wird. Grund genug, dem Streunen des Hundes bereits in der Anfangsphase einen Riegel vorzuschieben.

Was tun, wenn der Hund streunt?

Als Erstmaßnahme sollte der Hund ausbruchssicher untergebracht werden. Ein Gartenzaun muss ausreichend hoch und so gesichert sein, dass sich der Vierbeiner nicht darunter durchgraben kann, Gartentore sollten stets verschlossen sein. Sehr motivierte "Ausbrecherkönige" gelangen gelegentlich trotzdem auf mysteriöse Weise nach draußen - hier hilft nur, den Freilauf im Garten streng zu beaufsichtigen und den Hund ansonsten im Haus zu halten.

Verschwindet der Vierbeiner regelmäßig bei Spaziergängen, darf er nur noch an der Leine laufen: Befolgt er nach konsequenter Erziehung die Grundkommandos verlässlich, ist in vielen Fällen das Ableinen wieder möglich. Im zweiten Schritt ist es wichtig, die Ursachen des Streunens zu erforschen. Wird der Hund körperlich und geistig genug ausgelastet? Ist die Bindung zum Besitzer vielleicht nicht so stark, wie sie sein sollte? Erhält der Vierbeiner genügend Zuwendung und darf Teil des Familienlebens sein? Stellen sich hier Defizite dar, kann der Besitzer entsprechend daran arbeiten: Mehr Beschäftigung, gemeinsame Unternehmungen und die Sicherheit einer klaren Rangordnung können den Hund in vielen Fällen fester an Haus und Rudel binden.

Nicht sinnvoll ist es, den heimkehrenden Vierbeiner für das Weglaufen zu bestrafen: In den Augen des Hundes wird er damit für das Zurückkommen getadelt, was für ihn nicht nachvollziehbar ist und die Vertrauensbasis zum Besitzer weiter schädigt.

Kastration als Ausweg?

Rüden streunen häufiger als Hündinnen, in vielen Fällen ist das Vagabundieren sexuell motiviert. Eine Kastration kann eine Besserung bringen - vorausgesetzt, die Verlockung läufiger Hündinnen ist die einzige Ursache des Problems. Eine übersteigerte Jagdleidenschaft und die Suche nach Abwechslung werden dagegen durch eine Kastration nicht beeinflusst.

Ob die operative Entfernung der Hoden beim Rüden das Verhaltensproblem löst, kann der Tierarzt im Vorfeld durch eine sogenannte chemische Kastration abklären: Dabei wird dem Hund ein kleines Implantat eingesetzt, das über sechs Monate kontinuierlich Botenstoffe freisetzt. Diese verhindern die körpereigene Produktion von Hormonen - der Rüde wird vorübergehend zeugungsunfähig, sein Geschlechtstrieb nimmt ab.

Stellt der Hund während dieser Zeit das Umherstreunen ein, kann eine chirurgische Kastration das Problem tatsächlich dauerhaft lösen. Hündinnen sollten nur aus gesundheitlichen Gründen kastriert werden: Die Vermeidung des Streunens während der ohnehin nur zwei Mal im Jahr vorkommenden Läufigkeit stellt keinen ausreichenden Anlass für diesen operativen Eingriff dar.

Was tun bei hartnäckigen Ausreißern?

Insbesondere Hunde mit einem starken Jagdtrieb können oftmals trotz guter Erziehung nicht widerstehen, eine Fährte aufzunehmen oder einem Hasen hinterherzujagen. Auch Vierbeiner, die schon seit langer Zeit regelmäßig alleine "auf Tour" gehen, geben diese beglückenden Erlebnisse nur ungern auf. Manchmal hilft es, dem Hund ein interessantes Alternativprogramm zu bieten: Gemeinsame Spielstunden, Hundesport und der regelmäßige Kontakt zu Artgenossen können den Vierbeiner oftmals von eigenmächtigen Erkundungstouren abhalten. Gelingt es trotz allem nicht, den Hund unter Kontrolle zu halten, sollte der Besitzer zur Ursachenforschung und dem Aufzeigen möglicher Trainingsansätze einen kompetenten Verhaltensberater oder Hundetrainer zu Rate ziehen.

Literaturempfehlung / Quellen

  • Kastration und Verhalten beim Hund
    (Udo Gansloßer & Sophie Strodtbeck, Verlag Müller Rüschlikon, 2011)
  • Du gehörst zu mir: Die Bindung zum Hund spielend vertiefen (Cadmos Handbuch)
    (Nicole Röder, Cadmos Verlag, 2010)
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Autorin Regine Schineis

"Ein Leben ohne Tiere ist möglich, aber sinnlos." So lautet das Lebensmotto der Tierpsychologin und Autorin Regine Schineis, die gemeinsam mit Mann und Tieren in der Steiermark zu Hause ist.