Klassische Erbkrankheiten beim Hund

Hunde unterscheiden sich teilweise sehr erheblich in Größe, Aussehen und Gewicht. Betrachtet man eine große Hunderasse wie die Deutsche Dogge und vergleicht sie etwa mit einem Yorkshire Terrier, könnte man tatsächlich bezweifeln, dass beide Tiere Hunde sind, so unterschiedlich wirken sie auf den ersten Blick.

Diese äußerliche und teilweise bis den Schädel- und Knochenbau reichende Diversität bei Hunden ist zum großen Teil das Ergebnis von Zuchtbemühungen, die der Mensch schon seit Jahrhunderten durchgeführt hat. Wenn eine bestimmte Hunderasse eine Zeit lang besonders beliebt ist, kommt es häufig zur Überzüchtung, weil die Tiere auf dem Markt sehr nachgefragt sind.

Überzüchtungen führen nicht selten zu Gen-Defekten, die sich auch in bestimmten Erkrankungen niederschlagen und fortan eine bestimmte Hunderasse prägen können. Vielfach werden bestimmte Merkmale züchterisch entwickelt, um ein bestimmtes Aussehen zu erreichen. Dabei wird nicht immer auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Hundes Rücksicht genommen. Unrühmliches Beispiel für solche Zichten sind die sogenannten Qualzüchtungen, beispielsweise bei Möpsen oder englischen Bulldoggen, die bei den Tieren zu einem lebenslangen Leidensweg führen. Daneben scheint es ähnlich wie beim Menschen auch natürlicherweise genetische Dispositionen für erblich bedingte Erkrankungen zu geben. Es gibt also eine ganze Reihe von Erbkrankheiten beim Hund. Einige von ihnen werden im Folgenden in einer Übersicht dargestellt.

Aortenstenose

Hierbei handelt es sich um die häufigste bei Hunden vorkommende erbliche Herzkrankheit, von der vor allem große Rassen betroffen sind. Die Aortenklappen des Herzens sind hier von Geburt an verengt. Diese Verengung führt zu einer geringen physischen Belastbarkeit des Tieres, zur Vergrößerung des linken Herzens und zu Herzrhythmusstörungen. Eine vollständige Heilung dieser Erkrankung ist selten möglich. Die Prognose für operative Eingriffe am Herzen ist bei Hunden schlecht. Mit der Gabe von Betablockern kann vielfach über längere Zeit hin eine positive Wirkung erzielt werden. Es kommen auch weitere Arzneimittel infrage, die zum Beispiel speziell die mit der Aortenstenose verbundenen Herzrhythmusstörungen symptomatisch behandeln.

Brachycephales Syndrom

Bestimmte Hunde, die einen besonders kurzen, breiten Schädel aufweisen wie zum Beispiel Möpse werden als brachycephal bezeichnet. Vielfach wird in diesem Kontext auch von einer Qualzüchtung gesprochen. Die rundliche, kurze Schädelform führt zu verschiedenen Erscheinungen wie Atemproblemen, einer eingeschränkten physischen Belastbarkeit, Überhitzungssymptomen, Schnarchen und vielen mehr. Da diese Schädelform bei bestimmten Züchtungen als äußerst erwünscht gilt, beziehungsweise lange Zeit sehr erwünscht war, kann man nur die Symptome der mannigfachen Beschwerdebilder behandeln.
Der Hund muss sein ganzes Hundeleben unter dieser Anomalität leiden.

Degenerative Myelopathie

Hierbei handelt es sich um eine fortschreitende Rückenmarkserkrankung. Die Rückenmarksbahnen werden dabei allmählich abgebaut. Das führt zu Störungen im Bewegungsablauf und zu einer sich aufbauenden Hinterhandschwäche, die sich bis in eine komplette Lähmung der Hinterhand weiterentwickelt. Erkennbar ist dieser Zustand daran, dass die Hinterpfoten am Ende auf dem Boden schleifen. Mit ihrem Fortschreiten kann sich die Erkrankung auf die vorderen Gliedmaße ausbreiten. Es kommt zu gestörten Reflexen, einer gestörten Eigenwahrnehmung und zu Lähmungszuständen. Eine medikamentöse Behandlung ist nicht möglich, auch operative Lösungsmöglichkeiten sind noch nicht bekannt, lediglich eine intensive Physiotherapie kann das Fortschreiten der Erkrankung etwas hinauszögern.

Diabetes mellitus

Auch bei Hunden existiert Diabetes mellitus Typ 1, bei der kein Insulin produziert wird oder vorhandenes Insulin durch fehlerhafte Rezeptoren der Rezeptorzellen nicht verarbeitet wird. Betroffene Tiere sind ihr Leben lang insulinpflichtig.
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Dilatative Kardiomyopathie

Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer Schädigung des Herzmuskels. Sie geht mit einer Abnahme von dessen Wanddicke und einer Größenzunahme des Muskels einher. Betroffene Hunde leiden unter einer verminderten Leistungsfähigkeit und erreichen vielfach ihre normale Lebenserwartung nicht. Besonders verbreitet ist diese erbliche Disposition bei großen Rassen wie dem Irischen Wolfshund, dem Dobermann, der Dogge und dem Bernhardiner. Die Erkrankung kann nur symptomatisch mit entsprechenden Herzarzneimitteln verzögert werden.

Epilepsie

Verschiedene Hunde scheinen eine genetische Veranlagung für die Ausbildung einiger Epilepsie-Formen zu haben. Dabei kommt es zu spontanen Krampfanfällen, die nicht erkennbar auf eine bestimmte Ursache zurückgehen. Erblich begründet ist die sogenannte idiopathische Epilepsie, die von den erworbenen Epilepsieformen zu unterscheiden ist. Die idiopathische Epilepsie ist nicht im klassischen Sinne heilbar, hier kann die Symptomatik lediglich mit entsprechenden Medikamenten gelindert werden. Dabei kann häufig erreicht werden, dass sich die Frequenz der Krampfanfälle erheblich vermindert. Vielfach lässt sich nicht genau feststellen, ob man es mit einer idiopathischen oder erworbenen Epilepsie zu tun hat.
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Exokrine Pankreasinsuffizienz

Von dieser erblichen Disposition ist überdurchschnittlich oft der Deutsche Schäferhund betroffen. In der Bauchspeicheldrüse werden unter anderem Verdauungsenzyme produziert. Die Erkrankung führt dazu, dass die entsprechenden Zellen absterben. Dies führt zu massiven Störungen der Proteinverdauung und zum Gewichtsverlust. Behandelt werden kann mit von außen zugeführten Verdauungsenzymen.

Formen der Dysplasie (Hüftgelenks- und Ellenbogen-Dysplasie)

Die beiden Gelenksdeformationen werden allgemein mit HD und ED abgekürzt. Viele Hunderassen zeigen eine erbliche Veranlagung für die Ausbildung einer Gelenksverformung im Hüftgelenk oder am Ellenbogen. Die betroffenen Hunde leiden frühzeitig an Arthrose, weil die Gelenksteile nicht aufeinander passen und sich reiben. Es kommt zu Schmerzzuständen, Einschränkungen der Beweglichkeit bis hin zu einer Bewegungsunfähigkeit im betroffenen Areal, insbesondere bei der HD. Es stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die von der reinen Schmerz- und Symptombehandlung bis zu operativen Eingriffen reichen. Eine echte Heilung wird auch mit einer Operation kaum erreicht. Gefragt sind hier im Wesentlichen die Züchter, die durch Verpaarung geeigneter Hunde ihren Teil dazu leisten können, dass die Verbreitung der HD und ED eingedämmt wird.
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Hämolytische Anämie

Bei dieser Autoimmunkrankheit greift das körpereigene Immunsystem des Hundes die roten Blutkörperchen an und zerstört sie vor Ablauf ihrer eigentlichen Lebenserwartung. Es kommt zur Blutarmut und mangelhafter Sauerstoffversorgung der Organsysteme sowie der Gewebe. Die betroffenen Tiere erreichen die normale Lebenserwartung in der Regel nicht, und sterben an Leber-, Nieren- oder Herzversagen. Zurzeit ist keine Behandlungsmöglichkeit bekannt.

MDR 1-Defekt

Die Abkürzung MDR 1 bezeichnet ein bestimmtes Gen, das in diesem Fall einen Fehler aufweist. Bei betroffenen Hunden kommt es zu einer Medikamentenunverträglichkeit, die bei Aufnahme von Medikamenten oder Narkosemitteln zu Nervenschäden, Koma und Todesfällen führen kann. Vielfach stellen die Hundehalter das Vorliegen dieses Geneffekts erst fest, wenn es zu einem entsprechenden Vorfall nach Medikamenteneinnahme kommt. Der Genfehler ist besonders bei Collies und Border Collies verbreitet, bei diesen Hunden empfiehlt sich schon im jungen Alter ein entsprechender Test, um mögliche Folgen von Arzneimittelgaben vorhersehen zu können.

Morbus Addison

Die Autoimmunkrankheit richtet sich gegen die Nebennierenrinde, die die dort produzierten Hormone wie Cortison und die Sexualhormone nicht mehr in ausreichender Form zur Verfügung stellt. Es kann zu einer Vielzahl von verschiedenen Symptomen kommen. Betroffenen Tieren müssen die entsprechenden Hormone von außen zugeführt werden, soweit dies möglich ist.
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Morbus Cushing

Störungen der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) oder Tumore führen zu einer Überproduktion von Cortison. Es kommt zu einer Reihe von Symptomen wie abnehmender Muskulatur, übermäßigen Durst, steigendem Appetit und der Ausbildung eines Hängebauchs. Vielfach sind auch Haarausfall, Osteoporose und Diabetes mellitus eine Folge des sogenannten Stresshormons Cortison. Ist ein Tumor die Ursache für die übermäßige Cortisonbildung, kommt möglicherweise ein operativer Eingriff zu dessen Entfernung infrage. Man kann zwischen auch das Nierengewebe medikamentös zerstören, das für die Produktion des Hormons verantwortlich ist. In diesem Fall muss das betroffene Tier allerdings lebenslang mit Cortison in niedriger Dosierung versorgt werden.

Patellaluxation

Eine ganze Reihe von Hunderassen, darunter auch sehr viel kleine Rassen wie Pekinesen, Zwergpudel, Zwergspaniel und verschiedene Pinscher neigen zu einer erblich bedingten Fehlstellung des Kniegelenks. Infolgedessen springt die Kniescheibe (Patella) immer wieder aus dem Gelenk heraus. Leichte Formen der Erkrankung lassen sich unter Umständen mit konservativen Behandlungsmethoden wie zum Beispiel der Ruhigstellung des Gelenks mit einer Schiene behandeln, in schweren Fällen hilft häufig nur eine Operation.

Progressive Retina Atrophie und erbliche Katarakt

Die progressive Retina Atrophie PRA wird auch als fortschreitende Netzhautablösung bezeichnet. Hunde, die von dieser erblichen Veranlagung betroffen sind, können etwa in einem Alter von 3 Jahren eine zur Erblindung führende Netzhautablösung erleiden. Behandelbar ist die PRA nicht. Die erbliche Veranlagung kann nur durch Bemühungen der Züchter ausgeschlossen werden.

Die erbliche Katarakt ist der auch von Menschen bekannte Graue Star. Dabei handelt es sich hier um eine Linsentrübung, die bei den betroffenen Tieren nicht erst mit dem Alter, sondern schon in jungen Jahren auftritt. Sie führt zur Erblindung, weil man sie nicht symptomatisch behandeln kann. Allerdings ist es heute möglich, auch bei Hunden künstliche Linsen einzusetzen.
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Spondylose

Diese degenerative Skeletterkrankung führt zum Abbau der elastischen Elemente wie Bänder und Sehnen, der bis in eine vollkommene Versteifung der Wirbelsäule übergeht. Behandelt werden kann nur symptomatisch.
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Von Willebrand Krankheit

Von dieser angeborenen Blutgerinnungsstörung sind sehr viele Rassen betroffen. Die Krankheit gilt als unheilbar und kaum behandelbar.

Abschließende Informationen

Diese Aufzählung von Erbkrankheiten erhebt nicht den Anspruch, abschließend zu sein. Sie zeigt aber auf, dass erblich bedingte Dispositionen bei Hunden sehr weit verbreitet sind. Man schätzt, dass 50 % aller Hunderassen von entsprechenden genetischen Defekten betroffen sind. Auch Mischlinge können im Übrigen Erbkrankheiten haben. Es existieren noch viele weitere erbliche Dispositionen, von denen einige bereits im Welpenalter zum Tode führen. In den letzten Jahrzehnten ist das Bewusstsein unter verantwortungsvollen Züchtern gewachsen, ihre Bemühungen zur Eliminierung bestimmter Veranlagungen wie zum Beispiel der HD zu verstärken. Einige Hundezüchter bemühen sich auch darum, von den sogenannten Qualzüchtungen weg zu züchten, und bestimmte Zuchtmerkmale, die zu Krankheitserscheinungen führen, zu verdrängen.
So weisen zum Beispiel die sogenannten Retromöpse einen etwas anderen Körperbau als die klassischen Möpse auf, und ihr Schädel weicht von den brachycephalen Merkmalen ab. Nicht alle der erblichen Dispositionen bei Hunden lassen sich durch Zuchtbemühungen zurückdrängen. Allerdings sind viele tatsächlich züchterisch zu beeinflussen. Die Möglichkeiten von genetischen Tests bei Hunden wachsen ebenso wie die Behandlungsmöglichkeiten sich weiterentwickeln.

Gerade, wer einen Rassehund erwirbt sollte auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sein Tier unter einen Erbkrankheit leidet. Hundehalter sollten sich angesichts der möglichen Erkrankungen ihres Tieres dabei immer einer Tatsache bewusst sein:

Ihre Verantwortung endet nicht beim kranken Hund, sondern gewinnt in diesem Zusammenhang tatsächlich noch weiter an Bedeutung.

Quellen

Autorinbild
Autor: Thomas

Etwa 8 Mio. Hunde leben in deutschen Haushalten - gesorgt wird sich um die Vierbeiner wie um das eigene Kind. Mit dieser Seite möchte ich euch gern leicht verständliche Informationen rund um die Hundegesundheit zur Verfügung stellen. Zur Seite steht mir eine Tierheilpraktikerin, die das ganze fachlich abrundet.