Beißhemmung - dem Hund das Beißen abgewöhnen

Entgegen der landläufigen Meinung ist die Beißhemmung bei Hunden nicht angeboren. Hat ein Welpe keine Gelegenheit, im Spiel mit Artgenossen den kontrollierten Einsatz seiner Zähne zu üben, muss der Besitzer diese Rolle einnehmen und ihm deutliche Grenzen setzen.

Spielerisches Beißen: Üben für den Ernstfall

Jungtiere eignen sich im Spiel wichtige Bewegungsabläufe und Fertigkeiten an, die im späteren Leben ihr Überleben sichern. Bei Raubtieren kommt dem Jagen, Zubeißen und Töten der Beute dabei eine große Bedeutung zu: Junge Hunde spielen daher mit vollem Körpereinsatz und schrecken auch vor der Benutzung ihrer Zähne nicht zurück. Während des Zusammenlebens mit der Mutter und den Geschwistern setzen diese deutliche Signale, wenn die spitzen Zähnchen zu fest eingesetzt werden: Was aber im Hunderudel durchaus noch erlaubt ist, kann im Zusammenleben mit dem Menschen aufgrund der ungeschützten Haut zu schmerzhaften Verletzungen führen.

Keine Schonfrist für kleine Beißer

Kommt ein wenige Wochen alter Welpe ins Haus, empfindet der Besitzer sein Nagen an der Hand oder das ungestüme Spiel noch als putzig und liebenswert. Wenn der Hund seine Grenzen jedoch nicht von Anfang an in aller Deutlichkeit kennenlernt, werden die Spielstunden für den Besitzer zunehmend ungemütlicher - besonders wichtig ist das baldige Erlernen der Beißhemmung, wenn Kinder im Haus sind. Abhängig von Sozialisierung und Temperament kann es unterschiedlich lange dauern, bis der kleine Hund seine Beißkraft verlässlich unter Kontrolle hat - bis zum Einsetzen des Zahnwechsels im 4./5. Lebensmonat sollte dieser Erziehungsschritt abgeschlossen sein. Manchmal weisen auch schlecht sozialisierte erwachsene Hunde Defizite in der Kontrolle ihrer Beißkraft auf: Führen in diesem Fall die üblicherweise beim Welpen angewandten Maßnahmen nicht zum Erfolg, sollte ein erfahrener Hundetrainer oder Tierpsychologe zu Rate gezogen werden.

Der Weg zum kontrollierten Zubeißen

Packt ein junger Hund beim Spiel mit Artgenossen zu fest zu, teilt ihm das "Opfer" durch lautes Aufquietschen und sofortigen Spielabbruch unmissverständlich mit, dass die Grenze des Erlaubten überschritten wurde. Menschliche Hände sind um einiges empfindlicher als behaarte Hundekörper und deshalb als Spielzeug tabu - das ist eine der ersten Regeln, die der Welpe lernen sollte. Vergräbt er im Eifer des Gefechts seine Zähne doch in die Hand oder den Arm des Besitzers, beendet ein lauter Aufschrei das Spiel: Lässt der Hund sofort vom Halter ab, wird es mit geeignetem Spielzeug weitergeführt. Kleidungsstücke fallen nicht in diese Kategorie: Das Lachen über den am Hosenbein baumelnden Welpen vergeht dem Besitzer spätestens dann, wenn der Vierbeiner seine volle Körpergröße erreicht hat.

Was tun bei kleinen Halbstarken?

Sehr temperamentvolle Hunde geraten im Spiel leicht außer Kontrolle und fühlen sich durch Schmerzensschreie und Abwehrverhalten des Besitzers noch mehr angestachelt. In diesem Fall wird das Spiel konsequent abgebrochen und der kleine Rabauke vollkommen ignoriert, bis er sich beruhigt hat. Bei sehr überdrehten Hunden hilft die kurzzeitige Unterbringung in einem ruhigen Zimmer, ihren Motor herunterzufahren. Für kleine Energiebündel, die im Spiel immer wieder über ihre Grenzen gehen, stellen konzentrationsfördernde Denkspiele eine gute Alternative zu aufputschenden Renn- und Zerrspielen dar.
Mit Hilfe von Leckerchen lernt der Welpe, Händen mit seinen Zähnen vorsichtig zu begegnen: Er bekommt den zwischen den Fingern gehaltenen Leckerbissen nur, wenn er ihn sanft und ohne Zahneinsatz entgegennimmt. Schnappt er ungestüm zu, verschwindet das verlockende Futterstück mit einem lauten "Nein!" aus seiner Reichweite. Nach mehreren Versuchen sollte der Vierbeiner den Sinn der Übung begriffen haben.

Die Auswahl des Spielzeugs

Kleine Hunde betrachten ihr Spielzeug als Beute und möchten ihre ureigensten Jagdinstinkte daran ausleben: In der Heimtierhaltung eignen sich als potentielle "Beutetiere" Futterbälle und -beutel, Stofftiere, aus Baumwolle geflochtene Taue und Latex-Hundespielzeug. Aus Rücksicht auf die empfindlichen Milchzähne des Welpen sollten Zerrspiele nicht zu wild ausfallen, während des Zahnwechsels ist es besser, ganz darauf zu verzichten. Erste Apportierübungen und das Erlernen des Kommandos "Aus" unterstützen das Training der Beißhemmung.
Sehr wichtig ist auch der Kontakt zu Artgenossen: Regelmäßige Spielstunden mit anderen Welpen oder gut sozialisierten älteren Hunden helfen dem unerfahrenen Welpen, seine Zähne dosiert und der Situation angemessen einzusetzen.

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Autorin Regine Schineis

"Ein Leben ohne Tiere ist möglich, aber sinnlos." So lautet das Lebensmotto der Tierpsychologin und Autorin Regine Schineis, die gemeinsam mit Mann und Tieren in der Steiermark zu Hause ist.